Der dritte Ballon brachte uns endlich in die Freiheit

Am 27. Juli 1979 ist dann die Entscheidung gefallen, wir haben uns entschieden, noch einmal mitzumachen.
Die Frage war für Petra und mich nicht mehr, ob sie uns finden werden, sondern wann. Da ich nicht genügend Zeit hatte, um mich um unser Vorhaben zu kümmern, bin ich am 13. August zu meinem Hausarzt gegangen und habe über Magenbeschwerden geklagt, so dass mich dieser erst einmal Krank geschrieben hat. Vom 27. August bis zum 16. September hatte ich ohnehin schon Urlaub geplant, so dass mir 5 Wochen zur Verfügung standen, um am Ballon zu arbeiten.

Dass meine Bedenken gerechtfertigt waren, haben wir am 14. August aus der “Volkswacht”, unserer Tageszeitung erfahren.

Die VP bittet um Mithilfe

Nach der Begehung einer schweren Straftat wurden vom Täter die nachfolgend abgebildeten Gegenstände am Tatort zurückgelassen: vernickelte Montagezange (Wasserpumpenzange), Länge 250 mm; Taschenmesser mit einer Klinge und kombiniertem Schraubenzieher/Kronenverschulßöffner, grüne, leicht geriffelte Plastschalen; Barometer, goldfarbenes Gehäuse, auf furnierter Preßspanplatte mit 3 Bohrlöchern am oberen Rand; nullsteinige Taschenuhr, Hersteller: UMF Ruhla (ältere Ausführung). Wer kann Hinweise zu Personen geben, die diese Gegenstände im Besitz hatten? Zweckdienliche Hinweise, die auf Wunsch vertraulich behandelt werden, sind an die BDVP Gera, Abt. Kriminalpolizei, Apparat: 61 73 19 oder an jede andere VP-Dienststelle zu richten.

Dieser Artikel hat gezeigt, die suchen uns. Es war nur noch die Frage, wollten die uns mit diesem Artikel verunsichern oder lag es daran, dass sie keine Spur hatten. Ich habe aber eher an letzteres geglaubt, denn so eine Anzeige hätte die Stasi nicht ohne weiteres veröffentlicht, außerdem hätten diese Gegenstände jedem gehören können. Es waren alles handelsübliche Teile, die man überall kaufen konnte.

Jetzt gab es für uns nur noch eins, wir mussten Gas geben!

Da der Ballon größer sein musste als die bisherigen, habe ich diesen bewusst überdimensioniert und ein Volumen von 4200 m3 veranschlagt. Das hat natürlich bedeutet, dass wir auch mehr Stoff brauchten als vorher, und ich habe errechnet, dass wir für diesen Ballon ca. 1300 m2 brauchen werden (siehe Ballonrechner). Dadurch bedingt würde aber auch das Eigenwicht des Ballons steigen und wir mussten versuchen, möglichst leichte Stoffe zu verwenden.
Da wir bereits vor dem Bau des 2. Ballons verschiedene Stoffe getestet hatten, konnten wir auf diese Erfahrung zurückgreifen und haben uns für die damals ermittelten Favoriten Regenschirmseide, Zeltnylon und Taftstoff entschieden. Als letzte Alternative haben wir auch das Bettinlett in Betracht gezogen, da dieses aber deutlich schwerer war als die anderen Stoffe, wollten wir dieses aber nur im Notfall verwenden.

Uns war aber auch bewusst, dass es diesmal nicht so einfach sein würde den Stoff zu besorgen. Da der Ballon vom missglückten Startversuch gefunden wurde, hatten wir befürchtet, dass die Stoffgeschäfte größere Stoffverkäufe melden müssen. Aus diesem Grund haben wir in der Folge nur noch kleinere Mengen Stoff gekauft. Trotzdem ist die Ungewissheit geblieben, das man uns aufgrund der Stoffkäufe erwischen könnte. Da wir aber etwas unternehmen mussten, hatten wir keine andere Wahl und sind losgezogen. Da uns Anfangs die Angst im Nacken saß, haben wir so manches Ereignis überbewertet.
In einem Stoffgeschäft in Saalfeld war eine Verkäuferin überrascht, dass 2 Männer 100 m Taftstoff kaufen wollen und hat uns gebeten, etwas zu warten, da sie diesen erst vorbereiten müsste. Da haben wir es mit der Angst bekommen und überlegt zu gehen. Das haben wir dann aber doch nicht getan und haben abgewartet bis sie mit dem Stoff kam. Während der Heimfahrt haben wir aber alles um uns herum beobachtet, immer in der Sorge wir würden verfolgt. Auch als wir endlich zu Hause waren hat sich diese Angst fortgesetzt und wir haben noch einige Zeit gebraucht, bis wir geglaubt haben, dass alles gut gegangen ist.

Ein weiters Erlebnis hatten wir in Halle an der Saale. Beim heranfahren an eine Straßenkreuzung ist plötzlich ein Polizist vor uns auf die Straße getreten und hat uns gestoppt. In diesem Augenblick erschien es uns ganz klar, es ist vorbei.
Glücklicherweise war es das nicht, wir waren nur in verkehrter Richtung durch eine Einbahnstraße gefahren. Nachdem wir 5 Mark gezahlt hatten konnten wir problemlos weiterfahren.
Diese Ereignisse sind eigentlich unbedeutend, ich werde sie aber nie vergessen.

Da der Ballon aber auch noch gebaut werden musste, bin ich nach einer Woche zu Hause geblieben und habe mit dem Bau begonnen. Zur Unterstützung stand mir jetzt Frank, der ältere Sohn der Strelzyk’s zur Seite und hat mir beim Zuschneiden und Nähen geholfen.
Peter, Doris und meine Frau Petra sind aber weiterhin zum Stoff einkaufen losgezogen, denn die Einkäufe der ersten Woche haben bei Weitem nicht für den Ballon gereicht. Es wurde aber auch immer schwieriger, die richtigen Stoffe in ausreichender Menge zu bekommen, deshalb wurden die Entfernungen immer größer und sie sind schließlich durch die gesamte DDR bis nach Rostock und Schwerin gefahren. Letztendlich mussten wir dann auch größere Mengen Bettinlett verwenden, da die anderen Stoffe ausverkauft waren.
Glücklicherweise habe ich meistens ausreichend Stoff gehabt um weiterzuarbeiten und der Ballon hat Fortschritte gemacht. Aber auch die Zeit ist schnell vorangeschritten und der Urlaub ging seinem Ende entgegen. Wir wussten deshalb nicht ob wir es bis zu diesem Zeitpunkt schaffen werden.
Jetzt wurde uns klar, wir mussten uns Gedanken machen wie es danach weitergeht. Ich hatte bereits eine Einladung zur Musterung und das hat bedeutet, dass ich voraussichtlich Anfang November zur NVA (Nationale Volksarmee) gemusst hätte.
Für diesen Fall hatten wir uns entschieden, dass die anderen weitergemacht hätten und ich wäre zurückgeblieben. Mich hätte man in diesem Fall zwar ins Gefängnis gebracht, aber das hätte ich in Kauf genommen. Die Hoffnung bestand darin, dass mich Strelzyk’s und meine Frau Petra vom Westen aus freibekommen würden.

Glücklicherweise kam aber alles ganz anders. Wir konnten davon ausgehen, dass der Ballon bis zum Ende des Urlaubs fertig wird, nur das Wetter musste noch mitspielen. Das hat es aber nicht getan und wir mussten davon ausgehen, dass sich alles verzögern würde. Am Freitag den 14. September, bin ich deshalb zu meinem Arbeitgeber, dem Kraftverkehr Pößneck gefahren und habe mir den Fahrauftrag für Montag abgeholt, denn da war der Urlaub vorbei. Ich habe natürlich auch am Ballon weitergearbeitet, der war ja noch nicht fertig. Am Samstag kam es zur Überraschung, das Wetter hat plötzlich umgeschlagen. Eine Front war durchgezogen und auf der Rückseite hat sich ein stabiles Wetter mit Nordwind entwickelt. Das war es worauf wir gewartet hatten und wir haben Hoffnung geschöpft.
Ich habe mich beeilt, um bis zum Abend den Ballon fertig zu bekommen und das habe ich dann auch bis 22 Uhr geschafft.
Allerdings ist mir in der Eile ein Fehler unterlaufen, der uns hätte zum Verhängnis werden können.
Die 12 Tragseile, an der wir unseren Korb befestigen mussten, habe ich in der Kuppel der Hülle zusammengeführt und mit einem Knoten miteinander verbunden. Die Stoffbahnen sind an dieser Stelle auch zusammengelaufen, da diese aber nicht gleichmäßig lang waren, ist an dieser Stelle ein Loch entstanden. Da dieses Loch nicht groß war, habe ich dieses auch nicht als Problem gesehen. Ich habe mir einen Deckel aus Stoff gefertigt, diesen über das Loch gelegt und mit der Hülle vernäht.
Damit war der Ballon fertig und einsatzbereit. Der Rest der Ausrüstung wie Brenner, Gebläse u.s.w. waren ja noch vom ersten Versuch vorhanden und den Korb haben wir zwischendurch gebaut, das war ja schon Routine.

Um zu prüfen, ob auch der Wind wirklich mitspielt, sind wir noch zur “Bahrener Höhe” gefahren.
Da diese die größte Höhe in der Nähe von Pößneck ist, haben wir dort den Wind geprüft und festgestellt, dass dieser für unser Vorhaben ideal ist.

Jetzt waren wir fertig und es konnte losgehen! Nächstes Kapitel: Die Flucht